Das Märchen der mühelosen Mutterschaft im unveröffentlichten Märchenbuch

Das Märchen der mühelosen Mutterschaft

Es war einmal …

… eine Mutter mit ihren zwei Kindern. Sie verbrachten 6 Wochen Sommerferien gemeinsam, lachten viel und genossen die entspannte Zeit. Hausarbeit, Kinderbetreuung und berufliche Arbeit gingen der Mutter mühelos von der Hand und waren nicht der Rede wert… (Märchen Ende)

Dieses Jahr bin ich auf das Märchen der mühelosen Mutterschaft reingefallen. Es ist einfach so passiert. Das romantische Bild einer Mutter mit ihren zwei Kindern zur Sommerzeit war für mich so einleuchtend, dass ich im Vorfeld keine Kinderbetreuung organisiert hatte.

Warum auch? Ich arbeite ja von zu Hause aus. Das bisschen Arbeiten sollte ich doch mühelos nebenher erledigen können. Dachte ich. Und merkte nicht, dass hier die so gerne gezeigten mühelosen Bilder über die mütterliche Vereinbarkeit von Kindern, Haushalt und Beruf ihren Weg in meinen Kopf gefunden hatten:

*

Was sehe ich auf diesem Coverbild? Eine Mutter sitzt mit ihrem Kind auf dem Boden. Beide sind entspannt. Die vielen Arme der Mutter sind nettes Beiwerk, zeigen aber nicht, was es damit auf sich hat und was das für die Mutter und ihr Wohlergehen wirklich bedeutet.

In meinem Beruf als Designerin sehe ich täglich diese Bilder. Alles scheint so easy. Auch dieses Buch suggeriert mir, dass der Stress mit ein paar Tipps schnell wegorganisiert werden kann.

Vereinbarkeit bei voller Kinderbetreuung ist ein Märchen

Nach den ersten drei Ferienwochen weiß ich, wie fatal meine Entscheidung für mich ist: Seit 3 Wochen habe ich 2 Kinder 24 Stunden um mich. Ich habe keinen Ausgleich mehr und auch keine Ruhephasen.

Seit 3 Wochen ist mein Hirn ein Scherbenhaufen, das kaum keinen klaren Gedanken zu Ende denken kann. Ich fühle mich wie ein schlapper Ballon. Die Energie ist nicht mehr bei mir, sondern überall anders. Arbeiten geht nur unter besonderer Kraftanstrengung und Schnelligkeit ist ein Fremdwort.

Ja, ich bin eine Mutter von zwei Kindern, aber mühelos ist die Betreuung von Kindern, die Erledigung des Haushalts und die Vereinbarkeit mit dem Beruf nicht und schon gar nicht 24 Stunden am Tag über Wochen.

Update April 2020: Wie wahr diese Worte sind, erfahre ich im März/April 2020 wieder am eigenen Leib. Denn während der Corona-Krise fallen über Wochen durch die Schul- und Kitaschließungen alternative Kinderbetreuungsmöglichkeiten flach und mein Einkommen strebt gegen Null: „Der Wert der Mütter in der Krise

Das Märchen der mühelosen Mutterschaft ist nach wie vor topaktuell
Mutter und Kind werden in unserer Gesellschaft gerne als spielerische, mühelose Einheit gesehen. Das Care-Arbeit aber richtig Arbeit ist, das wird einfach ausgeblendet.

Das gesellschaftliche Bild der Mutter

Das Bild der Mutter in unserer Gesellschaft ist so geprägt, dass eine Mutter ganz selbstverständlich zu ihrem Kind gehört und andersrum. Es ist eine natürliche, gewachsene Einheit und hat mit Arbeit im anstrengenden Sinn nicht viel gemeinsam.

Hat sich ein Kind auf dem Spielplatz verletzt und schreit, wird augenblicklich nach einer dazugehörigen Mutter Ausschau gehalten. Es erscheint uns völlig normal, einzelne Mütter mit 2, 3 oder mehr Kindern während der Sommerzeit unterwegs anzutreffen.

Das ist auch der Grund, warum diese „leichte“ Tätigkeit von der Gesellschaft kaum honoriert wird – geschweige denn bezahlt. Aber am schlimmsten ist, dass wir selbst nicht merken, wie dieses Bild auf uns zurückstrahlt, bis wir es selbst glauben!

Mehr zum gesellschaftlichen Bild der Frau, das uns das Leben schwerer macht und uns beeinflusst: „Stereotyp Frau: Wir sind doch nicht alle gleich!?

Care-Arbeit ist echte Arbeit

Care-Arbeit also Fürsorge-Arbeit ist richtig schwere Arbeit – sowohl körperlich als auch geistig. Das merke ich momentan am eigenen Leib. Aber wir Frauen fallen aus diversen Gründen immer wieder darauf rein. Bei Männern ist das nicht so.

Dazu eine kurze Geschichte: Ein Freund von mir ist vor kurzem zum 2. Mal Vater geworden. Auf meine Frage hin, wie viel Elternzeit er nehmen wird, antwortete er, dass er das nicht macht. Es würde sich für ihn nicht lohnen!

Ich war zunächst wie vor den Kopf geschlagen. Hatte ich doch bei meiner Frage nicht das Geld, sondern die Unterstützung seiner Frau im Sinn gehabt. Ich weiß, dass 2 Kinder eine große Umstellung sind, besonders in der Konstellation Baby und Kleinkind. Er aber dachte nur an das Geld. Die 1800 Euro Höchstbetrag beim Elterngeld sind ihm dafür zu wenig!

Von dieser Auszahlungssumme können wir Mütter ja oft nur träumen. Denn das Elterngeld reduziert das eigentliche Nettogehalt schrittweise runter, bis nur noch 65% übrig bleiben. Warum ist das überhaupt so? Wieso beträgt das Elterngeld nicht 100% des Nettolohns unabhängig von dessen Höhe, wie in dieser Online-Petition gefordert?

Schließlich ist Care-Arbeit mindestens so anstrengend wie Erwerbsarbeit. Zusätzlich bekommen vorwiegend Frauen das Elterngeld ausbezahlt. Und deren Einkommen liegt dank Gender Pay Gap auch 2019 weiterhin 21% hinter den vergleichbaren Einkommen der Männer. (Quelle: Lohnspiegel.de)

Kinderbetreuung ist weiblich

Was Frauen mit der Betreuungsarbeit leisten, das kann keiner nachvollziehen, der nicht selbst einen ganzen Monat lang ein oder mehrere Kinder 24 Stunden am Tag alleine betreut hat. Berufliche Arbeit ist dagegen ein Klacks. Denn nach Feierabend ist man frei und kann sich einen schönen Ausgleich suchen. Mütter können das nicht!

Männer gehen einer Studie zufolge ab dem ersten Kind noch mehr arbeiten als vor der Familiengründung. Sie kommen also rein statistisch gar nicht in den „Genuss“ der Vollzeit-Kinderbetreuung über einen langen Zeitraum hinweg. (Quelle: Buch „Ein Mann ist keine Altersvorsorge“*)

Meine Freundin hat jetzt also von Anfang an 2 Kinder in Vollzeit für das nächste Jahr in ihrer Obhut. Finanziell bekommt sie dafür weit weniger ausbezahlt. Aber das ist für ihren Ehe-Gatten völlig okay!

Was ich früher selbst über Mütter gedacht habe:

1. Ja, ich war neidisch auf Mütter. Sie durften an schönen Sommertagen einfach mit ihren Kindern auf dem Spielplatz sitzen und schienen in meinen Augen keine großen Sorgen zu haben. So mühelos und selbstverständlich wirkt es, dass ich damals sehr gerne meine Vollzeitarbeit dagegen eingetauscht hätte. Ein schönes Märchen, wie ich heute weiß.

2. Ich dachte, dass Frauen durch die Geburt eines Kindes eine Metamorphose durchlaufen und mütterliche Superkräfte bekommen. Nach zwei Kindern warte ich immer noch auf meine Verwandlung. Ich weiß nur eins: Ich bin immer noch ich. Und ich brauche auch mal Zeit für mich selbst – in Ruhe – und ohne Kinderlärm im Hintergrund.

3. Mütter sind auch nicht lärmunempfindlicher. Ein Freund von mir hat das mal richtig gestellt: Man kann sich an vieles gewöhnen, nur nicht an Lärm. Lärm ist eine Störquelle, die ab einer bestimmten Lautstärke und Lärmdauer krank macht.

Oh ja, das kann ich nur bestätigen. Als Mutter kann man, während die Kinder um einen springen, kaum einen Gedanken im Kopf zu Ende denken. Ständig lässt einen ein Geräusch im Gedankengang unterbrechen. Die Aufmerksamkeit wandert ab und mit ihr die Energie. Das ist ein ganz normaler Prozess. Mütter sind da nicht anders. Sie haben keine besondere Fähigkeit.

4. Zu Hause sein, ein bisschen was arbeiten und den Kindern sorgenfrei beim größer werden zusehen. DAS habe auch ich über Mütter gedacht. Tatsache ist, dass niemand mit einem Kopf voller Terminen (Mental Load) und Zeitnot auf Dauer gute Arbeit leisten kann. Für große Karrierepläne fehlt oft die Energie, die Zeit und der Antrieb. Kein Wunder, dass wir Frauen dann mit kleinerem Geld zufrieden sind.

Ungeschriebene Märchen für Frauen zwischen Wahrheit und Lüge
Für die Märchenabteilung über Frauen könnten noch sehr viele Bücher geschrieben werden.

Kein Märchen: Ich liebe meine Kinder

Eins möchte ich klarstellen: Das hier ist kein Beitrag zum gesellschaftlichen Thema „Regretting Motherhood“ (deutsch: Bedauern der Mutterschaft). Ich bereue es nicht, zwei Kinder bekommen zu haben.

Aber ich möchte mich auch gern mal aus dem Familienleben ausklinken können. Das geht aber nicht. Denn ich bin Mutter und dazu noch Alleinerziehende. Und so werde ich auch die nächsten 3 Ferienwochen alleine ausbaden. Aber ich schwöre, nie wieder so unbedarft in die Ferienzeit zu gehen.

Lustigerweise habe ich in den letzten Sommerferien einen ähnlichen Blogartikel verfasst mit diesem Titel: Freizeit mit Kindern oder wenn aus dem Job Wellness wird.“ Das sollte mir ein für alle mal eine Lehre sein!

Wenn du Beschäftigungsideen für die Herbstferien brauchst, schau hier vorbei: 5 Ideen, den Herbst mit Kindern zu (er)leben

Mein Fazit zum Märchen über Mütter

Die Mutterschaft ist der Klebstoff, der uns Frauen an die Familie bindet und uns so zuckersüß präsentiert wird. Aber es ist sehr harte Arbeit, die hinter der guten Beziehung zu den Kindern und dem funktionierenden Alltag steht.

Ich habe in schwierigen Zeiten immer wieder überlegt, wie sich die selbstverständliche Zuständigkeit für mich als Frau lösen lässt. Aber ich habe noch keine Lösung gefunden. Denn egal was ich vorhabe, ich muss sehr viel organisieren, damit ich eigene Projekte stemmen kann.

Ich kann nicht für Wochen oder Monate einfach beruflich verschwinden. Oder abends einfach mal auf ein Glas Wein oder Abendspaziergang das Haus verlassen. Nein. Alles muss organisiert und von langer Hand geplant werden. Wieder Energie, die weg ist. Energie die am Ende für den geplanten Abend fehlt. Plötzlich ist einem das gar nicht mehr wichtig, weil man lieber um 20 Uhr völlig erschöpft ins Bett krabbelt. Denn Energie ist endlich und nicht unendlich verfügbar.

Daher werde ich mit diesem Blogbeitrag aus meinen Fehlern lernen und mich nie wieder von dem Märchen der mühelosen Mutterschaft so in die Irre führen lassen. Ich wünsche dir einen besseren Weitblick als ich ihn hatte!

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4 Kommentare zu “Das Märchen der mühelosen Mutterschaft

  1. Simone sagt:

    Ein grandioser Artikel vor allem wenn ich daran denke, dass viele Mütter Allein erziehend MIT sind. Und sich auch bei noch so guter Planung Familien Urlaub schon im Wortsinn widerspricht, zumindest für die Müttet.
    Mir geht es gerade ähnlich, aus meinen gut geplanten Arbeitsstunden am frühen Morgen wird zu 80% nichts, was zu deutlichem Groll meinerseits im selbstgewuppten Ferienprogramm führt.
    Und dennoch war und ist mehr Fremdbetreuung als unbedingt nötig für uns alle keine Option.

    Vielen Dank für Deinen Artikel. …vielleicht sprechen wir beide mal in Ruhe?
    Würde mich freuen, deine Themen sind meinen sehr ähnlich und zusammen ist Frau nicht nur weniger allein…wir können auch mehr erreichen 😉

    • Silke Wildner sagt:

      Liebe Simone, vielen Dank für dein Feedback. Ich bin auch kein großer Fan von zu viel Fremdbetreuung – und mein Sohn mag es gar nicht. Aber nur auf Mama fixierte Kinder in der Ferienzeit ist für mich dann auch nicht das Wahre. Mama-Magie – das hört sich zauberhaft an. Wie bist du auf die Idee gekommen? Viele Grüße Silke

  2. Denise sagt:

    Super Artikel. 6 1/2Wochen Ferien mit 3 Kindern. Ich brauche dringend Urlaub. Leider waren von den 6 Wochen 2 Wochen Urlaub. Heisst. Wenn die Schule jetzt Montag los gehr.. Ist von Erholung nix zu merken. Der Organisations-und Bespassungsstress als Alleinerziehende zehrt.

    • Silke Wildner sagt:

      Liebe Denise. Ich kann das so gut nachfühlen 🙂 Man glaubt es ja tatsächlich erst, wie anstrengend es ist mit Kindern 24 Stunden am Tag alleine zu sein, wenn man mittendrin steckt. Ich wünsche dir einen erholsamen Wochenstart!

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