Das Sorgerecht wirft immer wieder Fragen auf – ganz besonders, wenn es das gemeinsame Sorgerecht ist. Auch das es verschiedene Teilbereiche des Sorgerechts gibt, die unterschiedlich gehandhabt werden können, ist vielen unklar. Daher freue ich mich Niklas auf meinem Blog begrüßen zu können. Niklas ist zwar nicht alleinerziehend, hat aber beruflich viel mit diesem Thema zu tun.
So entstehen Konflikte durch das Sorgerecht
Hallo und herzlichen Dank für die Einladung. Mein Name ist Niklas Clamann und ich bin als ein auf Familienrecht spezialisierter Scheidungsanwalt in Münster tätig.
Bei meiner Arbeit habe ich täglich mit Menschen zu tun, die durch eine Trennung ihr Leben neu organisieren müssen. Besonders für Mandanten mit kleinen Kindern ist die Lebensumwälzung groß, denn oft muss nun einer von ihnen das Leben alleinerziehend meistern.
Hierbei stellt der Spagat zwischen der plötzlichen Alleinverantwortlichkeit für viele Entscheidungen im Alltag des Kindes und der Notwendigkeit bei anderen Fragen als Eltern weiter gemeinsame Entscheidungen zu treffen einen besonders konfliktträchtigen Aspekt dar.
Seine rechtliche Grundlage findet dies in den gesetzlichen Regelungen zum Sorgerecht. Um diese Konflikte zu lösen, hilft es zu wissen, was genau das Sorgerecht überhaupt regelt.
Was umfasst das Sorgerecht?
Im Vordergrund bei Fragen rund um das Sorgerecht steht das Wohl des Kindes. Rechtlich umfasst das Sorgerecht gem. § 1626 BGB die Personen- und Vermögenssorge des Kindes. Doch was bedeutet das?
Davon umfasst sind alle Fragen, die das Leben ihres Kindes betreffen. Angefangen bei der Frage, wann Ihr Kind zu Bett gehen soll bis hin zu wichtigen medizinischen Entscheidungen.
Viele Entscheidungen sind schon in einer intakten elterlichen Partnerschaft schwierig gemeinsam zu treffen, doch wie soll man diese Aufgaben meistern, wenn die Beziehung in die Brüche gegangen ist? Häufig besteht daher der Wunsch diese Entscheidungen allein treffen zu dürfen.
Aber wer darf welche Entscheidungen treffen?
Alleiniges Sorgerecht
Steht Ihnen das Sorgerecht allein zu, so können Sie grundsätzlich alle Entscheidungen im Leben Ihres Kindes allein treffen.
Gemeinsames Sorgerecht
Haben Sie das gemeinsame Sorgerecht kommt es darauf an, um welche Art Entscheidung es sich handelt.
Dinge, die das alltägliche Leben betreffen – etwa mit wem sich Ihr Kind zum Spielen trifft oder ob am Abend ferngesehen werden darf – entscheidet der Sorgeberechtigte bei dem das Kind gerade in der Obhut ist.
Handelt es sich jedoch um eine Entscheidung von besonderer Bedeutung, muss diese gemeinsam getroffen werden.
Solche Entscheidungen sind beispielsweise die Auswahl und Anmeldung an einer Schule oder die Frage nach der religiösen Erziehung. Auch wenn der alleinerziehende Elternteil in eine andere Stadt umziehen möchte, benötigen er hierfür die Zustimmung des anderen sorgeberechtigten Elternteils.
Wer ist sorgeberechtigt?
Verheiratet bei Geburt des Kindes
Wem das Sorgerecht zusteht, hängt davon ab, ob Sie als Eltern bei der Geburt Ihres Kindes verheiratet waren oder nicht. Bei verheirateten Paaren erhalten automatische beide Elternteile gemeinsam das Sorgerecht.
Hieran ändert auch eine spätere Scheidung nichts, denn auch wenn das Kind seinen Lebensmittelpunkt dann oft bei nur einem Elternteil hat und zum anderen Umgang pflegt, bleiben beide Eltern im Regelfall sorgeberechtigt.
Nicht verheiratet bei Geburt des Kindes
Sind Sie bei der Geburt nicht verheiratet gewesen, hat nach der gesetzlichen Regelung zunächst die Mutter das alleinige Sorgerecht. Hierüber stellt das zuständige Jugendamt auf Antrag eine sogenannte Negativbescheinigung aus. Damit kann etwa bei der Schulanmeldung oder anderen Behörden das alleinige Sorgerecht nachgewiesen werden.
Sie können beim Jugendamt aber auch das gemeinsame Sorgerecht beantragen. Auch eine spätere Heirat der Eltern führt zum gemeinsamen Sorgerecht. Zudem besteht seit 2013 für den Vater die Möglichkeit das gemeinsame Sorgerecht auch ohne die Zustimmung der Mutter einzuklagen. Mit dieser Änderung wurde die Stellung der Väter in der Frage des Sorgerechts gestärkt.
Was passiert, wenn die gemeinsam Sorgeberechtigten sich nicht einigen können?
Gerade bei getrenntlebenden Eltern kommt es immer wieder vor, dass Streit über bestimmte wichtige Entscheidungen im Leben ihrer Kinder entsteht. Hierbei ist es leider nicht immer möglich diese Differenzen ohne Weiteres aus der Welt zu schaffen.
Kommt es zwischen Ihnen zum Streit, sollten Sie versuchen (mit professioneller Hilfe) eine Einigung zu finden, bevor sich die Fronten verhärten und das Gericht zur Klärung hinzugezogen werden muss.
Jugendamt
Hier kann Ihnen einerseits das Jugendamt helfen, denn es ist verpflichtet Sie im Rahmen der Jugendhilfe zu beraten und zu unterstützen. Dabei wird versucht in gemeinsamen Gesprächen Lösungsstrategien für die streitbefangenen Entscheidungen zu entwickeln.
Coaching und andere Angebote
Andererseits kann es auch sinnvoll sein, sich andere Hilfsangebote wie therapeutische Unterstützung oder Coachings anzusehen. Diese können dabei helfen, die bestehenden Kommunikationsprobleme zu beseitigen und das Verständnis für die Situation des jeweils anderen aufzubauen.
Hierdurch lassen sich viele Konflikte auch ohne Anwälte und Gerichte klären.
Wenn alles nichts hilft: Familiengericht
Sollte keine Lösung erzielt werden, können Sie das zuständige Familiengericht anrufen. Geht es bei dem Konflikt lediglich um die Entscheidung einer einzelnen Frage, kann jeder sorgeberechtigte Elternteil beim Familiengericht beantragen, für diesen Fall die Alleinentscheidungsbefugnis zu erhalten. Ob diesem Antrag entsprochen wird, hängt vom Einzelfall ab.
Ist es Ihnen dagegen insgesamt oder aber in abgrenzbaren Teilbereichen des Sorgerechts nicht möglich eine Einigung zu finden, können Sie auch die Übertragung des alleinigen Sorgerechts bzw. die Übertragung des alleinigen Sorgerechts in den entsprechenden Teilbereichen beantragen.
Die drei Teilbereiche des Sorgerechts
Das Sorgerecht besteht aus drei Teilbereichen:
- die Personensorge
- die Vermögenssorge
- die gesetzliche Vertretung
Diese Teilbereiche umfassen wiederum unterschiedliche und einzeln abgrenzbare Aspekte, die im Streitfall einem der Sorgeberechtigten unter Umständen allein zugesprochen werden können. Etwa das Aufenthaltsbestimmungsrecht als Teil der Personensorge oder auch die Berechtigung Sozialleistungen für das Kind zu beantragen als Teil der gesetzlichen Vertretung.
Was gibt es bei der Beantragung des alleinigen Sorgerechts zu beachten?
Bei der Beantragung des alleinigen Sorgerechts müssen Sie berücksichtigen, dass die Grundannahme besteht, dass es für das Wohl ihres Kindes am besten ist, wenn beide Elternteile sorgeberechtigt sind.
Ein vollständiger Entzug des Sorgerechts ist daher die Ausnahme. Dies kommt erst in Betracht, wenn der andere Elternteil schwere Verfehlungen begangen hat, die an seiner Erziehungsfähigkeit zweifeln lassen oder das Wohl des Kindes gefährden. So etwa bei erheblicher Gewalt dem Kind gegenüber oder bei massiver Alkohol- oder Drogenabhängigkeit.
Ansonsten wird versucht, das gemeinsame Sorgerecht so weit wie möglich bestehen zu lassen und lediglich in Einzelfragen oder Teilbereichen das Sorgerecht einem Elternteil allein zu übertragen.
Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts
Ein in der Praxis häufig auftretender Fall ist die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts (Teilbereich der Personensorge).
Denn wenn der alleinerziehende Elternteil in eine andere Stadt umziehen möchte, ist dies beim gemeinsamen Sorgerecht nicht ohne die Zustimmung des anderen möglich.
Verweigert der andere sorgeberechtigte Elternteil diese Zustimmung, etwa aus Angst durch den Umzug könnte die Beziehung zum Kind gefährdet werden, dürfen Sie nicht ohne Weiteres umziehen. Sie müssen dann beim Familiengericht die Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts beantragen.
Ob diesem Antrag stattgegeben wird, hängt wiederum von den Umständen im Einzelfall unter Berücksichtigung des Kindeswohles ab. Besonders strenge Maßstäbe werden hierbei an Umzüge in andere Länder angelegt.
Mein Fazit aus der Praxis zum Sorgerecht
In meinem Arbeitsalltag erlebe ich täglich vor welchen Herausforderungen Eltern bei einer Scheidung stehen. Sind die Fronten verhärtet, wird es schwierig, die Aufgabe des gemeinsamen Sorgerechts zu bewältigen.
Aus meiner Sicht ist es daher sehr wichtig, Konflikte früh zu lösen und gegebenenfalls Hilfsangebote anzunehmen. Denn es ist ganz normal, dass es bei einer Trennung emotional schwer fällt, objektive Entscheidungen zu treffen.
Informieren Sie sich über bestehende Hilfsangebote oder suchen Sie Unterstützung von geschulten Personen. Das kann nämlich in vielen Fällen einen Besuch bei mir verhindern!
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Sehr guter Blog übe gemeinsames Sorgerecht – Vielen Dank!
Es stimmt, dass die Beantragung des alleinigen Sorgerechts nur dann gerechtfertigt ist, wenn Grund zur Annahme besteht, dass der jeweils andere Elternteil kein guter Umgang für die Kinder ist. Es hilft durchaus, sich diesbezüglich an einen Anwalt für Scheidungen zu wenden, um ihm genau zu schildern, weshalb man den Umgang des Ex-Partners mit den gemeinsamen Kindern für einen schlechten hält. Nicht immer, doch in manchen Fällen sind die Vorwürfe gegen den Ex-Partner, eine Gefährdung des Kindeswohls zu sein, berechtigt, und diese müssen vor Gericht dringend berücksichtigt werden.
Definitiv sollte man sich vor allem für sein Kind bemühen, Konflikte früh zu lösen. In meinem Fall war es etwas zu früh und mir wurde jetzt verboten, meinen Sohn sehen zu dürfen. Vielleicht kann mir ein erfahrener Anwalt für Familienrecht eine Möglichkeit zeigen, dies zu ändern.