Hast du gewusst, dass Astrid Lindgren einen unehelichen Sohn hatte? Ja, die Astrid Lindgren, die so wundervolle Figuren wie Pippi Langstrumpf, Michel aus Lönneberga und Ronja Räubertochter erfunden hat. Immer wenn ich eines ihrer Kinderbücher zur Hand nehme, umweht mich das gute Gefühl einer behüteten Kindheit. Daher habe ich sie mir immer ganz klassisch als Hausfrau und Mutter vorgestellt, der noch nie etwas wirklich Schlimmes passiert ist. Aber ihr Leben verlief ganz anders:
Teil 1 – Die junge Astrid nimmt ihr Leben selbst in die Hand
Zugegeben, die Kindheit von Astrid muss schon traumhaft schön gewesen sein. Wer die Kinder von Bullerbü* kennt, der kann in etwa nachvollziehen, wie Astrid auf dem kleinen schwedischen Hof Näs in der Nähe von Vimmerby mit ihren 3 Geschwistern Gunnar, Stina und Ingegerd bei den Eltern Samuel August und Hanna aufgewachsen ist.
Nach ihrer Schulzeit nahm Astrid Ericsson – so der Mädchenname von Astrid Lindgren – ein Volontariat bei der ortsansässigen Zeitung an. Reinhold Blomberg der Herausgeber und Chefredakteur hatte ihr die Stelle selbst angeboten. Astrid sagte zu und erlernte das Journalisten-Handwerk von der Pike auf.
Schwanger mit 18 Jahren
Von dem wesentlich älteren Reinhold Blomberg wurde sie mit 18 Jahren dann überraschend schwanger. Er war zu dem Zeitpunkt allerdings noch verheiratet, hatte sich aber in Astrid verliebt und wollte sie zur Frau nehmen. Aber sie wollte das nicht, sie liebte ihn nicht und widersetzte sich einer Heirat. Astrid war felsenfest überzeugt, alleine für sich und das Kind sorgen zu können – eine ungeheuer mutige Entscheidung! Mit 18 Jahren und das im Jahr 1926! Und so floh sie schwanger und alleine direkt nach Stockholm. Dort beginnt sie eine Ausbildung zur Sekretärin.
„Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.“
An dieser Stelle ziehe ich meinen Hut vor ihr. Viele Frauen ihrer Generation (und auch heute noch) hatten genau das Gegenteil gemacht und trauten sich nicht ohne Mann mit Kind dazustehen. Denn das bedeutete oft Armut, Arbeitslosigkeit und Ausschluss aus der Gesellschaft. Mehr über diese Zeit kannst du in meinem Blogartikel „Familienform Alleinerziehend – ein modernes Privileg“ nachlesen.
Astrids Sohn wird geboren
Mit 19 Jahren brachte sie dann ihren Sohn Lars (genannt Lasse) in Kopenhagen zur Welt. Die Reise dorthin hatte die schwangere Astrid auf sich genommen, weil es in ganz Skandinavien nur diese eine Klinik gab, in der keine offizielle Meldung über die Geburt gemacht wurde und der Kindsvater somit ungenannt bleiben konnte.
Ihr Sohn kam dann direkt in Kopenhagen zu einer Pflegefamilie. Eine andere Lösung gab es für die junge Mutter nicht. Man muss dazu sagen, dass es damals nicht die staatliche Unterstützung für Alleinerziehende gab wie heute. Wer in einer Notsituation war, musste sein Kind in einem Heim unterbringen, bis sich die Umstände geändert hatten. Und so arbeitete Astrid daraufhin in Stockholm unermüdlich so viel sie konnte, damit sie sich eine Zugfahrt nach Kopenhagen leisten konnte. Eine Strecke = 14 Stunden. Sie war arm und traurig – aber sie wollte es unbedingt alleine schaffen!
„Lass dich nicht unterkriegen, sei frech und wild und wunderbar.“
Mutig bis in die Haarspitzen: Pippi Langstrumpf*
Astrid Lindgren als alleinerziehende Mutter
1930 holte Astrid ihren Sohn durch die Erkrankung der Pflegemutter dann zu sich nach Stockholm. Sie kam an ihre Grenzen, der 3-jährige Lasse erkrankte und erholte sich schlecht. Ihre Eltern erkannten die Notlage und so durfte sie das erste Mal mit ihrem Sohn zu ihren Eltern reisen, um sich zu erholen. Lasse blieb vorerst bei den Großeltern, während Astrid wieder nach Stockholm zurückkehrte.
Ein Jahr später dann stand die Hochzeit von Astrid und Sture Lindgren ins Haus, aus Astrid Ericsson wird Astrid Lindgren. Sie lernte Sture auf der Arbeit kennen, er war ihr Chef – und verheiratet. Aber er ließ sich für sie scheiden und Astrid heiratete ihn mit der Bedingung, dass ihr Sohn bei ihnen wohnt.
Endlich eine Familie
Ein paar Jahre später wird die gemeinsame Tochter Karin in Stockholm geboren. Astrid Lindgren genießt als Hausfrau ihr Familienglück. Aber die schweren ersten Jahre und die große Traurigkeit ihren Sohn direkt nach der Geburt zurückgelassen zu haben, trägt sie tief in sich. Erst im Alter von 70 Jahren spricht sie erstmals in der Öffentlichkeit darüber. Diese Erfahrung hat sie für das Leid anderer Menschen sensibilisiert – und das wiederum macht ihre Bücher so besonders.
Witwe mit 45 Jahren
Aber noch war sie keine Schriftstellerin, sondern nur eine einfache Schreibkraft. Ihr Mann betrügte sie immer wieder. Das nagte an Astrid und so stürzte sie sich ins Schreiben, zuerst „Kriegstagebücher“, dann erste kleine Geschichten. Es wird ihr Ventil mit den Problemen und dem Unbehagen fertig zu werden:
„Wenn ich schrieb, war ich für alle Sorgen unerreichbar.“
Mit 45 Jahren wurde Astrid Lindgren schon Witwe und stand wieder alleine da. Ihr Mann hatte sich in den Tod getrunken. Tochter Karin war zu diesem Zeitpunkt gerade 18 Jahre alt und wohnte noch zu Hause, Sohn Lasse war 25.
Aber statt sich zu verkriechen oder eine neue Liebe zu suchen, versuchte Astrid Lindgren wieder für sich und Karin alleine klarzukommen und stark zu sein. Sie nutzte die freigewordene Zeit intensiv zum Schreiben, pflegte ihre Freundschaften, engagierte sich sozial und politisch und stand mit ihrem Namen wann immer es ging für das Kindeswohl ein.
„Wenn wir unverheirateten Müttern helfen, dann helfen wir auch den Kindern.“
Denn die Kinder lagen ihr sehr am Herzen. Ihr größter Wunsch war es eigentlich, niemals selbst erwachsen zu werden. Und so kletterte sie mit 66 Jahren noch mit ihrer Freundin um die Wette auf einen Baum. Es gebe schließlich „kein Verbot für alte Weiber, auf Bäume zu klettern“.
Im 2. Teil meiner Astrid Lindgren Reihe erfährst du wie sie zur weltberühmten Kinderbuch-Autorin wurde, obwohl ihr Leben nicht immer so glatt lief, „Astrid Lindgren – von der Hausfrau zur Autorin“. Jetzt weiterlesen!
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